Autoren über das Schreiben
Wider den Stachel löcken, das reizte mich am meisten
Mörderischer Galopp war mein erstes. Ich bin Jahrelang damit schwanger gegangen. Und es war eine schwere Geburt. Beinah abgetrieben, Druck auf die Escape Taste – weg! Geht ziemlich einfach. Aber es wollte nicht. Musste mich immer wieder dran setzen, auch als es mir richtig dreckig ging und mir die Chemo das Hirn aus dem Kopf wirbelte. Mörderischer Galopp.
Es fing damit an, dass ich ausprobieren wollte, wie sich Handlung in einem großen Text aufbaut. Bis dahin hatte ich nur Kurzgeschichten geschrieben und vorher Wissenschaft und wie das funktionierte, wusste ich. Habe ich wenigstens gedacht. Fehlte noch ein Thema, eine Idee, eine Person – schreib über das, was du am besten kennst, war die Botschaft. Klar, ich brauchte Stoff, hatte ja bisher vor allem Geschichte geschrieben, hart an den Quellen, einwandfrei nachprüfbar, unter jedem Satz eine Fußnote. Damit war jetzt Schluss! Aber was kannte ich denn am besten? Die Uni? Meine Familie? Ferne Länder? Wäre alles möglich gewesen, doch ich entschied mich für mein Pferd. Vier mal die Woche drei Stunden auf dem Reiterhof, da lernt man eine ganze Menge, nicht nur über Pferde.
Langweilig, sagte mein Mann und meine Kollegin an der Uni zuckte nur müde die Achseln. Pferde! Naja, mein Mann war eifersüchtig und die Kollegin eine schmallippige Wissenschaftlerin. Also doch Pferde, ich musste immer wider den Stachel löcken, das reizte mich am meisten. Kam die zweite Klippe: Das Ding muss spannend sein, ich will, dass es gelesen wird – keinen Bestseller, nur dass es die Leute lesen und Spaß daran haben. Und dann fingen plötzlich diese sogenannten Zufälle an – ich lernte die „Mörderischen Schwestern“ kennen und auf einmal war mir klar, dass ich einen Krimi schreiben würde. Die dritte Klippe: Kein Krimi ohne Mord! Klar, oder? Was mir nicht klar war: Ich, die Autorin, muss diesen Mord begehen – auf dem Papier natürlich nur. Und ich musste jemanden auswählen – ich musste eines meiner Geschöpfe opfern. Schrecklich. Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis ich den Roman zu Ende geschrieben hatte. Ich habe lange gebraucht, bis ich sie – die Person- wirklich sterben lassen konnte. Danach ging es flotter voran.
Die vierte Klippe war bereits in Sicht: Als der Text fertig war, wurde er erstmal ziemlich verrissen. Von Leuten, die es wissen mussten. Langweilig, dilettantisch und zu viele Kalauer. Obwohl nicht ganz ohne Talent. Schreib einfach mal was richtig Interessantes. Mist! Soviel Zeit auf einem Holzweg zugebracht. Ich war fertig, am Boden zerstört, wollte nie mehr wieder in die Tasten hauen. Aber die Escapetaste habe ich trotzdem nicht gedrückt. Bis mir eine Kollegin einen richtig heißen Tipp gab: Ulrike Dietmann, Autorin, Schreiblehrerin, Verlegerin. Tolle Workshops, wäre was für dich. Eigentlich hatte ich die Schnauze voll. Schließlich konnte ich schreiben, oder? Und gelernt hatte ich auch genug in meinem Leben. Dann kam das Entscheidende: Die Frau ist Reiterin! Sie hat ein eigenes Pferd!
Und so fing alles an. Einen Monat später kam ein Anruf von Ulrike. „Sitzt du bequem?“ Musste ich verneinen, doch irgendetwas in ihrer Stimme zwang mich aufs Sofa. Und das war gut so, denn was sie mir sagte, hätte mich bestimmt umgehauen: „Dir ist ein wunderbarer Roman gelungen!“
Natürlich hat sie mir nicht gesagt, was noch alles fehlte, bis aus meinem Manuskript, das damals noch „Nine-Days-Wonder“ hieß, der Mörderische Galopp wurde. Und sie hat auch nicht gesagt, dass ich wieder von ganz vorne anfangen würde und dass es genau das wäre, was mich wieder auf die Beine bringen würde. Und spätestens als die ersten Leserinnen mir im Stall freudestrahlend entgegenkamen und sagten: Ich habe gerade deinen Roman gelesen, wusste ich, wohin die Reise ging.
Heide-Marie Lauterer – Autorenprofil
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